Abendritual

Abendritual ist nicht nur etwas für Kinder

Ein erholsamer Schlaf ist die Grundlage für einen produktiven Alltag und ein allgemein gesundes Leben. Gerade in Zeiten der Pandemie, wenn die Grenzen zwischen Arbeitstag und Freizeit durch Homeoffice verwischen, ist es wichtig sich um einen guten Schlaf zu bemühen. Man kann schon durch kleine Veränderungen die Schlafqualität steigern, sagt Christina Stefan, Psychologin und „Schlaf-gut Coach“. Die Kärntnerin lebt und arbeitet in Wien, betreut aber österreichweit Kunden zu stressbedingten Schlafstörungen durch Coaching, Workshops und Vorträge. Was sind ihre Tipps für besseren Schlaf?

Schlaf ist eines der wichtigsten physiologischen Bedürfnisse eines Menschen. Warum ist ein guter Schlaf so wichtig?

Weil sich im Schlaf Körper und Geist erholen. Nehmen wir unsere geistige Erholung. Die Vielzahl an Informationen, die im Laufe des Tages auf uns einströmen, wird in der Nacht sortiert, gelöscht oder ins Langzeitgedächtnis transferiert. Schlafen wir dauerhaft zu wenig, kann dieser Prozess nicht abgeschlossen werden und wir sind am Tag unkonzentrierter und gereizter.

Dennoch leidet ein Drittel aller ÖsterreicherInnen an Problemen mit dem Schlaf. Welche mit dem Schlaf verbundenen Probleme kommen am häufigsten vor?

Schon vor der Pandemie hat jede/r zweite Erwachsene angegeben, regelmäßig in der Nacht aufzuwachen. Weiters klagte jede/r Dritte über Einschlafstörungen. Es geht also um Probleme mit dem Ein- und Durchschlafen, die häufig berichtet werden.

Ist das mit unseren Schlafgewohnheiten verbunden?

Hierzu fällt mir folgender Ausspruch ein: Früher hat man geschlafen, weil man müde war, heute schläft man, weil man für den nächsten Tag fit sein möchte. Doch erholsamer Schlaf hängt von vielen Faktoren ab. Unter anderem davon, dass man einige Zeit vor dem Zubettgehen körperlich und geistig zur Ruhe kommt, sich entspannt. Das wird eher nicht der Fall sein, wenn man im Bett nochmals die Mails checkt oder auf Social Media aktiv ist. Zu empfehlen ist ein tägliches Abendritual, wie beispielsweise ein gemütlicher, kurzer Abendspaziergang und/oder ein Kräutertee.

Wie lange sollte man denn schlafen?

Schlaf ist sehr individuell und verändert sich auch über die Lebensphasen hinweg. Babys schlafen bis zu sechzehn Stunden am Tag. Erwachsene in Mitteleuropa schlafen durchschnittlich siebeneinhalb Stunden. Die WHO, World Health Organisation, empfiehlt sieben bis neun Stunden Schlaf pro Nacht. Im Übrigen ist es ein Mythos, dass alte Menschen weniger Schlaf brauchen. Es ist eher so, dass der Schlaf im Alter „seichter“ wird, das heißt, weniger Zeit im Tiefschlaf verbracht wird. Daher meine Empfehlung: Auch alte Mensch sollten am Tag aktiv sein, ins Freie gehen, andere Menschen treffen und keine oder nur ganz kurze Tagesschläfchen machen.

Wie merkt man, dass man nicht genug schläft?

Wenn Sie tagsüber so müde sind, dass Sie „im Stehen“ einschlafen könnten, dann sind zum Beispiel sechs Stunden Schlaf auf die Dauer nicht genug. Es hat schon einen Grund, warum die WHO sieben bis neun Stunden Schlaf empfiehlt.

Einige Experten sagen man sollte eigentlich jeden Tag um dieselbe Uhrzeit schlafen gehen und aufwachen.

Ja, bei Schlafproblemen empfehle ich möglichst zur selben Zeit ins Bett zu gehen und zur selben Zeit aufzustehen, auch am Wochenende. Das hilft der „Inneren Uhr“, sich wieder einzupendeln. Ziel ist es ja, abends schläfrig zu sein und sich aufs Bett zu freuen und morgens erholt aufzuwachen.

Es liegt aber nicht nur an der Dauer, sondern wird die Qualität des Schlafs von vielen anderen Faktoren beeinflusst. Was sind die wichtigsten?

Schlaf findet im Gehirn statt. Hier werden externe Reize wie Licht, das als „Wachmacher“ fungiert, und interne Reize wie das Schlafhormon Melatonin, koordiniert. Die Schlafforschung nennt das Zusammenspiel „Schlaf-Wach-Rhythmik“ oder „Innere Uhr“. Wenn diese externen und internen Rhythmen gut ausbalanciert sind, dann schlafen Sie erholsam und wir Experten sprechen dann von einer guten Schlafqualität.

»Im Übrigen ist es ein Mythos, dass alte Menschen weniger Schlaf brauchen. Es ist eher so, dass der Schlaf im Alter „seichter“ wird, das heißt, weniger Zeit im Tiefschlaf verbracht wird.«

Kann es sein, dass viele Menschen einen schlechten Schlaf haben und das gar nicht merken? Man denkt nicht zuerst daran, dass einige gesundheitliche Beschwerden Auswirkungen chronischen Schlafmangels sind.

Hier möchte ich auf eine ernste Schlafstörung eingehen, Schlafapnoe genannt. Eine Empfehlung von mir als „Schlaf-gut Coach“ ist: Fragen Sie Ihre/n Bettpanter/-in, ob diese/r bei Ihnen schon einmal nächtliche Atmungsaussetzer bemerkt hat. Also ob Sie für einige Sekunden, das können auch zig-Sekunden sein, den Atem anhalten, um dann laut hörbar wieder einzuatmen. Wenn dem so ist, dann sollten Sie zur Abklärung rasch einen Lungenfacharzt oder den Hausarzt aufsuchen.

In manchen Lebensabschnitten ist es schwierig Schlaffaktoren zu beeinflussen, beispielsweise wenn man kleine Kinder hat.

Ja, die Zeit mit kleinen Kindern, deren Schlaf noch unregelmäßig ist, kann sehr anstrengend sein. Hier würde ich empfehlen, dass die Kinder viel Bewegung im Freien machen. Auch hier gilt: Regelmäßigkeit! Die Kinder sollten wissen, dass es nach dem Abendessen ins Bad geht und dass es dann noch eine Gute-Nacht-Geschichte gibt. Dieser gleichbleibende Ablauf gibt Orientierung und ist das Signal an das Gehirn, sich auf die kommende Nachtruhe einzustellen.

In der letzten Zeit liest man viel über Revenge Bedtime Procrastination. Wie würden Sie es beschreiben und was kann man dagegen tun?

Revenge Bedtime Procrastination ist wissenschaftlich noch nicht erforscht und meint in etwa folgendes: Angenommen Sie stecken in einem stressigen Job und müssen viele Termine wahrnehmen die ihnen teilweise gar nicht sinnvoll erscheinen. Jedenfalls fühlen Sie sich fremdbestimmt. Als Rache dafür und weil Sie es genießen, abends über Ihre Zeit zu bestimmen, verbringen Sie noch zwei Stunden auf Instagram, obwohl Sie wissen, dass Ihnen die Schlafenszeit fehlen wird. Ein Tipp von mir wäre, nach dem Zähneputzen das Handy nicht mehr in die zu Hand nehmen. Stattdessen lieber duschen und sich dabei vorstellen, wie Erlebtes vom Tag an einem hinunter rinnt und im Abfluss verschwindet. Oder in einem Büchlein Notizen zum Tag machen und mit einem positiven Erlebnis den Eintrag beenden.

Einige schlafen vor dem Fernseher ein, andere mit dem Handy in der Hand. Warum rät man von den Geräten vor dem Schlaf ab?

Von Untersuchungen her weiß man, dass die Bildschirmbeleuchtung von Handy oder Computer auf manche Menschen aktivierend wirkt und sie dadurch verzögert müde werden. Denn das Gehirn schüttet bei diesen Licht-sensiblen Menschen erst bis zu dreißig Minuten später das Schlafhormon Melatonin aus. Zeit, die man besser zum Schlafen nützt. Ich würde empfehlen, schauen Sie am Abend fern, denn hier ist die Distanz zum Bildschirm größer als beim Handy.

Sie haben mehrmals angedeutet, dass man als Erwachsener auch ein Abendritual haben sollte. Ist das nicht nur was für Kinder?

Aber nein! Gerade in Zeiten von Homeoffice verschwimmen die Grenzen von Arbeitstag und Freizeit zunehmend. Dabei ist es so wichtig, dazwischen eine Pufferzeit zu haben, um gedanklich abzuschalten undrunter-zu-kommen. Hier ist ein Abendritual perfekt. So hat beispielsweise ein Workshop-Teilnehmer erzählt, dass er und seine Frau sich um 18 Uhr in der Küche zum gemeinsamen Kochen treffen und dass dies sein Abendritual ist.

Sie betreuen Firmen und Organisationen sowie Einzelne, die besser Schlafen wollen. Was wäre ein universaler Rat, wenn man seinen Schlaf verbessern möchte?

Die schon erwähnte Regelmäßigkeit, was den Einschlaf- und Aufwachzeitpunkt betrifft. Abweichungen bis maximal dreißig Minuten an Wochenenden und im Urlaub sind natürlich erlaubt. Wie schon erwähnt ist es vor allem der gleichbleibende Aufstehzeitpunkt, der wie ein „Anker“ wirkt.

»Von Untersuchungen her weiß man, dass die Bildschirmbeleuchtung von Handy oder Computer auf manche Menschen aktivierend wirkt und sie dadurch verzögert müde werden.«

Wie ist ihr Schlaf? Können Sie sich selbst an die Ratschläge, die sie ihren Kunden geben, halten? Oder ist es einfach zu hart den Schlaf perfekt zu meistern?

Mein Schlaf ist seit Beginn der hormonellen Umstellung durch den Wechsel ein sensibler geworden. Die nächtlichen Hitzewallungen lassen mich länger wachliegen. Hier setze ich auf Autogenes Training oder eine Körperreise und die Gelassenheit, dass ich wieder müde werde und dann auch wieder einschlafen werde. Wenn es damit einmal gar nicht klappt stehe ich auf und warte im Wohnzimmer bei Kerzenschein, mit einem Reisemagazin in der Hand, auf die Müdigkeit. Erst danach gehe ich wieder zurück ins Bett oder bleibe gleich auf, wenn es schon hell wird. Sie fragen, ob ich mich an meine eigenen Ratschläge halte? Nun ja, meistens zumindest. Wenn das Abendessen einmal zu spät und zu üppig ausfällt und ich ein Glas Wein zu viel getrunken habe, dann weiß ich wenigstens die Gründe für den schlechten Schlaf. Dafür ist die Schläfrigkeit am nächsten Abend umso größer und das sorgt für ein rasches einschlafen.